Der literaTurm Blog

07.06.2016 - 20:11 Uhr

Die Erziehung des Mannes

Stadtmuseum Hofheim mit Skulptur
Stadtmuseum Hofheim mit Skulptur

Gut, das Stadtmuseum von Hofheim am Taunus hat jetzt nicht so viel mit Türmen zu tun. Würde gar nicht in die historische Altstadt passen. Aber da literaTurm in die Region geht, finden eben Lesungen nicht nur in Hochhäusern, sondern auch in Kronberg, Königstein, Flörsheim, Hanau, Darmstadt, Neu-Anspach, Wiesbaden, Oberursel und Eppstein statt. Und Hofheim.

Julia Cloot vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain freute sich über zahlreiche Besucher, Ingrid Hasse, Leiterin des Dezernats Familie, Gleichberechtigung und demographischer Wandel im Main-Taunus-Kreis, begrüßte die Gäste – eindeutig mehr Frauen als Männer. In dem Fall muss also noch in Sachen Geleichberechtigung gearbeitet werden.

Der Literaturkritiker Christoph Schröder sprach mit dem Autor Michael Kumpfmüller und stellte gleich zu Beginn klar: „’Die Erziehung des Mannes’ ist kein frauenfeindliches Buch.“ Im Mittelpunkt dieses fünften Romans von Kumpfmüller steht Georg. Einerseits sei es schon ein klassischer Bildungsroman, andererseits geschehen Georg die Dinge eher beiläufig. „Für mich hat das Buch etwas ungemein Aufklärerisches“, stellte Schröder fest. Und natürlich komme einem beim Titel Flauberts „Die Erziehung der Gefühle“ in den Sinn.
„Ein bisschen Flaubert ist auch in mir, aber mein Titel ist augenzwinkernd gemeint“, erklärte Kumpfmüller.

Er gehe von der These aus, dass wir niemals alles über uns wissen – das sei auch in Ordnung. „Wir können nur das leben, was uns ermöglicht wird“, fügte er hinzu.

Christoph Schröder, Michael Kumpfmüller
Christoph Schröder, Michael Kumpfmüller

„Ich habe mal ‚Erziehung’ und ‚Mann’ gegoogelt und landete auf Frauenforen, in denen geschildert wird, wie man den Mann erzieht“, warf Schröder ein. „Ja, diese Seiten sind absolut männerfeindlich“, entgegnete der Autor.

Das Buch hat drei Teile; es geht um Anfang und Ende einer Ehe, um Georg als Sohn und als Vater. Kumpfmüller las eine Passage aus dem ersten Part, seine Hochzeit wird aus seiner Sicht geschildert. Diese Beschreibung verheißt gleich nichts Gutes, es gibt ziemlich viel Stress, das Fest ist eher beklommen als fröhlich. Dabei wäre es fast nicht dazu gekommen, acht Monate vorher stritten Georg und seine künftige Frau heftig um den Freiraum, den jeder bekommt, dessen Reichweiten und Grenzen. „Es war ein bisschen wie Krieg“, erinnert sich Georg später an diese Auseinandersetzung. Er hatte „für die Ehe nicht ausreichend trainiert“, es gab Hürden und Abstürze. Georg agiert unter Druck, sagt nicht „Nein“, wo das besser wäre. Aber er hat ein merkwürdiges Verhältnis zur Treue, geht Verpflichtungen ein – eine fatale und liebenswerter Eigenschaft zugleich.

„Beide Geschlechter sind immer alten Rollenvorstellungen und neuen Erwartungen und Anforderungen verpflichtet“, erklärte Kumpfmüller im Gespräch. Aber was sollte der Mann sein? Einer, der Ansagen macht – charmant natürlich? Und wie sollte die Frau sein? Mehr Weibchen oder mehr Partnerin?
Zu all diesen auch für Georg unbeantworteten Fragen kommt hinzu: Georg ist freischaffender Komponist. Selbstständiger Künstler.

„Die Frage, ob ein Mensch schwach sein darf und ob dieses Schwachsein auch eine Schwäche ist, steht im Zentrum“, äußerte Kumpfmüller.

In einer zweiten Passage begegnen die Zuhörer Georg als Sohn, der sich von seinem Vater ungerecht behandelt fühlt und sich dafür auch noch entschuldigen soll. Liegt da eine Wurzel für Georgs späteres Verhalten?

Michael Kumpfmüller ist nicht Georg. Aber ein Autor muss seine Figuren lieben. „Die Publikation eines Buches ist ein gewaltiger Enteignungsvorgang. Bei Lesungen holt man sich ein Stück davon zurück“, bemerkte der Schriftsteller.
„Unser Traum vom Leben ist eine konstante Liebeserfahrung; für mich sind die Kinder das größte Geschenk“, bekannte Kumpfmüller.

Der dritte Text aus dem Leben einer Patchwork-Familie mit einer von der Tochter veranstalteten Facebook-Party ließ an dieser Aussage allerdings einige Zweifel aufkommen.