Der literaTurm Blog

04.06.2016 - 11:49 Uhr

Filmemacher und Schriftsteller

Blick auf die Türme der Deutschen Bank
Blick auf die Türme der Deutschen Bank

Diese Location entsprach ganz und gar literaTurm: Von der 21. Etage der BHF-Bank aus hatte man einen Wahnsinnsblick auf Frankfurt. Viele Gäste zückten ihr Handy und hielten das fest – im Vordergrund dabei Oskar Roehler und Andreas Kilb.

Berufliches Doppelleben stand im Mittelpunkt des Gesprächs: Andreas Kilb, FAZ, stellte Oskar Roehler, dessen Eltern beide Schriftsteller waren und der ab dem vierten Lebensjahr bei seinen Großeltern aufwuchs, zum einen als Filmregisseur und zum anderen als Buchautor vor. „Er hat Radikalität und Sensibilität ins deutsche Kino gebracht“, äußerte Kilb, verwies auf „Die Unerührbare“ (2000), 2001 mit dem Deutschen Filmpreis in Gold ausgezeichnet.

Oskar Roehler und Andreas Kilb
Oskar Roehler und Andreas Kilb

Wie sich Romane und Filme miteinander vermischen, macht das Buch „Herkunft“, 2011 veröffentlicht, am besten deutlich. „Ich hatte zunächst ein 200 Seiten langes Drehbuch geschrieben. Das landete bei einem verantwortungslosen Produzenten. Weil ich lange nichts von ihm hörte, habe ich vor Wut ein 600-Seiten-Buch daraus gemacht“, erzählte Roehler. Irgendwann sei man dann doch noch auf die Drehbuchfassung gekommen, Roehler allerdings lehnte ab, diese alte Version filmisch umzusetzen, schrieb ein neues Drehbuch. Daraus entstand der Film „Quellen des Lebens“ (2013).

„Das Verhältnis von Film zu Roman ist wie das von Einfamilienhaus zu Palast“, hatte Roehler einmal verglichen. Beim Budget allerdings kehrt sich das ins Gegenteil – Filme sind sehr viel teurer als Bücher.
„Im Roman führt die Figur, im Film konfektionieren Regisseure den Text“, schilderte Roehler.

Schelte bekam das gegenwärtige Fernsehprogramm: „Nicht alles sollte der kompletten Amnesie anheim fallen“, meinte der Filmemacher und erklärte: „Die Leute verstehen kleine, tolle Geschichten nicht mehr, reden nur über Formate, alles andere interessiert nicht.“

Er würde immer zuerst ein Buch schreiben, wenn ihn ein Thema interessiert, beantwortete Roehler eine entsprechende Frage.

Der Maintower ist gut zu sehen
Der Maintower ist gut zu sehen

Der Autor las einen Auszug aus „Herkunft“, dann folgte ein Filmausschnitt, der die Geschichte an der Stelle aufnahm, an der Roehler seinen Vortrag beendet hatte. Ein junger Mann und ein junges Mädchen laufen in besten Kleidern in den Wald, finden ein Wasserloch und bedecken sich mit Schlamm – behutsam, sanft. Eine wunderbare Szene, am Ende passend musikalisch begleitet von „Dust In The Wind“. „Es waren Laienschauspieler, die das toll machten. Doch die Redaktion wollte diese Szene streichen“, erklärte Roehler. Überhaupt sei das Zurechtstutzen eine unangenehme und grausame Angelegenheit – auch und besonders beim eigenen Drehbuch. Auch das sei ein Unterschied zwischen Film und Buch, beim Film seien viele beteiligt und redeten mit, es werde wenig Raum gelassen, beim Buch sei man sein eigener Herr.

Roehlers Roman „Mein Leben als Affenarsch“, 2015, war ihm zuerst als Filmszene im Kopf. „Aber ich wusste: Das kriege ich nicht finanziert.“ Also erschien das Buch vor dem Film „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk“.
Es geht um das Leben eines jungen Punks, Sinnsuchers, Besessenen in West-Berlin im Jahr 1981. „Es ist das Berlin-Gefühl vor dem Mauerfall, Leben auf der Insel. Alle waren wahnsinnig paranoid“, beschrieb Roehler die Zeit.

Ein Filmausschnitt zeigt die phantastische Hannelore Hoger als skurrile, rauchende, nach Aufputschmitteln süchtige Mutter des Protagonisten. Größer kann der Gegensatz zur vorher gezeigten Szene aus „Quellen des Lebens“ nicht sein.

Oskar Roehler im Gespräch mit Andreas Kilb
Oskar Roehler im Gespräch mit Andreas Kilb

Roehler kommentierte seinen jüngsten Film selbstbewusst: „Ich brauche so etwas ab und zu. Und ich finde es schade, dass andere das nicht brauchen.“

Oskar Roehler drehte 2005 auch „Elementarteilchen“ nach dem Roman von Michel Houellebecq. „Wir haben uns zwei Jahre damit herumgequält, bis Produzent Bernd Eichinger auf die Idee kam, dass es sich im Kern um die Midlife Crisis eines Mannes handelt“, beschrieb er diese Arbeit.

Trotz technischer Schwierigkeiten ein unterhaltsamer Abend – die BHF-Bank machte das mit gesponserten Getränken und Snacks wieder wett.